gewiss ungewiss

07.07.2017 - verfasst von Simon

Jetzt dauert es nicht mehr lang. Nur noch wenige Wochen vergehen, bevor Stephie und ich unsere ersten losgelösten Schritte wagen. Unsere To-Do-Liste für die Vorbereitung der Reise darf sich alle paar Tage an einem weiteren Häkchen erfreuen. Wenn ich darauf schaue, staune ich nicht schlecht. Obwohl wir uns schon um etliche wichtige Dinge wie die Untervermietung unserer Wohnung, einen zweiten Reisepass, einen internationalen Führerschein oder die Kündigung laufender Verträge gekümmert haben, stehen nach wie vor viele Kästchen zum Abhaken frei.    

 

Fünf Jahre sind es nun her, dass wir zum ersten Mal auf die Idee kamen, eine solche Reise in Angriff zu nehmen. In dieser Zeit lasen wir beide gerade das Buch „Abgefahren“ von Claudia Metz und Klaus Schubert. Die beiden Kölner brachen 1981 mit zwei Motorrädern in ihrer Heimat auf und nahmen sich zum Ziel, innerhalb von zehn Monaten Tokyo über den Landweg zu erreichen. 16 Jahre und fünf Kontinente später kehrten sie schließlich wieder heim. Ihre grandiosen Erfahrungsberichte zeugen von kühnen Abenteuern, bewegenden Begegnungen und atemberaubenden Entdeckungen. Das Buch nahm uns in seinen Bann und ließ einen neugierigen Kitzel in uns keimen, den wir in den nächsten Jahren mit immer mehr Büchern und Blogs von verschiedensten Globetrottern gießen sollten. Als wir besagtes Buch im Sommer vor fünf Jahren zu Ende gelesen hatten, schauten wir einander an und waren uns einig: So etwas wollen wir auch mal machen! 

 

Natürlich müssen es keine 16 Jahre sein. Und auch wenn wir erst kürzlich eine Auslandskrankenversicherung vorsichtshalber für drei Jahre abgeschlossen haben, liegt der Reiz doch gerade darin, dass wir nicht ahnen, wir lange wir unterwegs sein werden. Kein absehbarer Termin wird uns zwingen, früher oder später die Reise unter- oder gar abbrechen zu müssen, auch wenn wir sicherlich die ein oder andere Hochzeit oder Geburt aus unserem Familien- und Freundeskreis verpassen werden. Für solche Anlässe mal eben die Reise zu unterbrechen und ins Flugzeug zu steigen ist für uns erst einmal keine Option, da wir weitestgehend auf Fliegen im Allgemeinen verzichten möchten. Das schont nicht nur unseren Geldbeutel und ökologischen Fußabdruck, sondern eröffnet uns die Möglichkeit, weitaus langsamer unterwegs zu sein und auf diese Weise Veränderungen der Landschaften, Menschen und Kulturen bewusster wahrnehmen zu können. 

 

Vor kurzem fragte mich ein Freund, wie ich mir die erste Nacht unserer Reise vorstellte. Ich antwortete, dass wir unser Zelt höchstwahrscheinlich im Gebüsch hinter einer heruntergekommenen Autobahnraststätte aufgestellt hätten, dass es aus Kübeln regnen würde und wir halbgegarte Nudeln mit Tomatensoße äßen … und dass wir überglücklich wären. Glücklich über die Tatsache, nicht zu wissen, wo wir morgen schlafen, kein Handy und keine Emails überprüfen zu müssen, sich jeden Tag aufs Neue über unvorhersehbare Wendungen und Erlebnisse freuen zu dürfen, spontan zu sein und improvisieren zu müssen, Verzicht als Gewinn erfahren zu können und unangenehme Situationen als bereichernd; glücklich darüber, einen ungewohnten Alltag zu erleben und frei zu sein. 

 

Am 30. Juli ist es schließlich so weit. Wir übergeben die Schlüssel unserer Wohnung einem befreundeten Pärchen, sagen meiner Familie "Auf Wiedersehen" und machen uns zunächst auf den Weg nach Freiburg, zu Stephies Familie. Dort wollen wir auf dem Bauernhof ihres Onkels noch etwa zwei Wochen arbeiten und einen Flohmarkt anbieten, um die Reisekasse noch etwas aufzustocken. Anschließend heißt es ein weiteres Mal Abschied nehmen, den Rucksack aufschnallen und sich auf die erste Nacht im Zelt freuen - wo auch immer das sein wird.