Die kaugummi-recycling-anekdote

Wir fahren im Auto zweier Herren mit, von denen der betrunkene aber liebenswerte Beifahrer unsere Mitfahrt ganz besonders gestalten möchte. Er bietet uns Kaugummis an, steigt zwischendurch aus, um Blumen für mich zu pflücken und Speisen für ein kleines Mittagessen einzukaufen. Kurz darauf steuern die Beiden eine kleine Kapelle mit Aussicht und Picknickbank an. Als sie auftischen, möchte ich meinen Kaugummi loswerden. Da es hier keinen Mülleimer gibt, reiße ich mir ein Stück Papier ab und verstaue den Kaugummi in meiner Jackentasche, um ihn später entsorgen zu können. Dieser Vorgang stößt auf völliges Unverständnis. Mit Hand und Fuß wird mir vehement deutlich gemacht, dass ich das Papier wieder herausrücken und ins Gras schmeißen solle. Ich könne selbstverständlich noch einen weiteren, frischen Kaugummi haben und müsse nicht den alten aufbewahren, um ihn später weiter kauen zu können.

Dass die Herrschaften nicht auf die Idee gekommen waren, dass ich den Kaugummi nicht einfach in der Natur entsorgen wollte, ist für die weit verbreitete Umweltverschmutzung, die uns leider vielerorts immer wieder begegnet, sehr bezeichnend. Sei es am Rande einer deutschen Autobahn, an Flussufern im Balkan oder an Böschungen im Kaukasus: Müll ist allgegenwärtig und ernüchtert den Anblick so mancher, in ihrem Ursprung eigentlich wunderschönen Landschaft. Gerade in der Türkei wird das Seitenfenster im Auto rigoros als öffentlicher Abfalleimer genutzt, sodass Unmengen an Plastikflaschen oder Zigarettenschachteln am Straßenrand landen. Viel zu häufig scheint ein Bewusstsein für das eigene Verhalten bzw. den schonenden Umgang mit der Natur zu fehlen. Zudem sendet die Lebensmittelindustrie dahingehend die vollkommen falschen Signale. Plastik gibt es im Überschuss und in einer Wohlstandsgesellschaft gehört alles schön verpackt. Zwar ist es mancherorts in den letzten Jahren zu einigen Ansätzen des Umdenkens gekommen (Reduzierung von Plastiktüten, verpackungsfreie Lebensmittelmärkte usw.), doch wird es einem weitestgehend nicht einfach gemacht, auf umweltbewusste Art zu konsumieren. Auf den Märkten versuchen wir es manchmal schon gar nicht mehr, uns gegen eine Plastiktüte zu wehren, sondern geben diese nach dem Abwiegen und Bezahlen einfach wieder zurück. Es ist ein täglicher Kampf, sich den Plastikmassen wenigstens ansatzweise zu entziehen. Meistens müssen wir uns erklären, verdeutlichen, weshalb wir nicht alles doppelt und dreifach verpackt haben möchten, ernten jedoch überwiegend Unverständnis. Das kann manchmal ganz schön ermüdend sein und so passiert es uns leider weiterhin häufig, dass wir die Tüten annehmen und uns damit trösten, diese anschließend immerhin als kleine Müllsäcke weiter zu verwenden.

Oft ärgere ich mich über uns selbst, da wir noch deutlich konsequenter sein und so im besten Fall ein paar Menschen zum Nachdenken und zu mehr Umweltbewusstsein anregen könnten.

 

Am Rande: Ironischerweise haben wir auch schon das Gegenteil der zuvor beschriebenen Anekdote erlebt. So hatte ich in der Türkei einmal eine ältere Dame ganz dezent – es müsse ihr ja sicherlich peinlich sein – auf einen gekauten Kaugummi auf ihrem Kopftuch aufmerksam gemacht. Unbeeindruckt nahm sie den Kaugummi vom Kopf und steckte ihn sich wieder in den Mund.